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Das Lostorfer Gemeindemagazin

PORTRÄT LISBETH HÄUBI

In den späten siebziger Jahren gab es in Lostorf, im ehemaligen alten Konsum im Oberdorf, ein kleines Theater. Es war nicht irgendein Theater, sondern ein «Kasperlitheater», in welchem vor vielen begeisterten Kindern jeweils spannende Geschichten und Abenteuer aufgeführt wurden.
Was als kleines Projekt für die Schulkinder im Dorf gedacht war, wurde eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte, mit einer Beachtung weit über die Region hinaus.
Hinter dem Lostorfer Kasperlitheater steckte vor allem eine Person: Lisbeth Häubi.
Ich durfte damals selber als Kind einige Vorstellungen im alten Konsum, oder auch in der Aula der Primarschule, verfolgen. Mit zunehmendem Alter wurde für mich das Kasperlitheater etwas weniger interessant, allerdings habe ich immer mitbekommen, wie bekannt und beliebt das kleine Lostorfer Puppenspieltheater inzwischen geworden war.
Einige Jahrzehnte später traf ich Lisbeth Häubi wieder, als sie in einem Chor mitsang welchen ich leitete. Sie hat zwar immer wieder versichert, «sie könne dann übrigens nicht schön singen», aber sie ist in allem was sie macht mit viel Leidenschaft dabei.

Diese Leidenschaft ist immer noch spürbar, als ich sie für diesen Bericht in ihrem schönen Heim im «Paradies» (für eine Person, welche mit Geschichten und Fantasien zu tun hat, eigentlich der ideale Wohnort) besuchte. Wenn sie von ihrem Kasperlitheater erzählt, leuchten ihre Augen dabei vermutlich gleich fest, wie damals die Augen der Kinder, als sie die Märlivorstellungen besuchten. Ich selber fühlte mich auch gleich wieder 6 Jahre alt als ich ihren Erzählungen lauschte…
Als Kind ist mir damals gar nicht aufgefallen, dass sie eigentlich gar keinen hiesigen Dialekt, ja eigentlich nur teilweise schweizerdeutsch spricht.
Lisbeth Häubi ist vor über achtzig Jahren in Österreich, in der Hauptstadt Wien, geboren. Diese erste Zeit im Leben von Lisbeth Häubi war alles andere als gewöhnlich. Sie ist in der Zeit vor dem 2.Weltkrieg als Tochter eines jüdischen Vaters geboren und hatte bis zum Kriegsende ständig die Angst vor Augen, von den Nazis in ein Konzentrationslager deportiert zu werden. Im Jahre 1946 kam sie durch eine Schweizer Patenschaft zum ersten Mal für 3 Monate nach Bern, wo sie nach wechselnden Aufenthalten in Wien und Bern nach der Matura eine Ausbildung als Krankenschwester machte. Nur bereits die ersten Jahre von Lisbeth würden den Umfang dieses kurzen Berichts sprengen. Sie hat diese Erlebnisse aber inzwischen zu Papier gebracht und die Geschichte ihrer Kindheit und Jugend unter dem Titel «Zwischen zwei Ufern » als einfaches Manuskript im Selbstverlag veröffentlicht. Nach einigen Lesungen in der Region, welche jeweils bis auf den letzten Platz besetzt waren, wird ihre Geschichte nun im nächsten Jahr vom Schweizer Verlag «elfundzehn» offiziell als Buch veröffentlicht. Mit ihrem Mann Albert, welcher als Gewerbeschullehrer in Olten arbeitete, hatte Lisbeth Häubi anfangs der sechziger Jahre, als eine der ersten «Zugezogenen», ein einfaches Haus in den «Reben» gebaut. Damals standen dort noch fast keine Häuser und das meiste war Landwirtschaftszone. Heute stehen dort inzwischen einige stattliche Häuser und es ist eine beliebte Wohnlage mit wunderbarer Fernsicht geworden.
Die Gemeinde Lostorf wurde als Domizil auserkoren, da ein Lehrerkollege ihres Mannes der Lostorfer Linolschnittkünstler Meinrad Peier war, welcher über gute Kontakte im Dorf verfügte, und so der jungen Familie eine passende Bauparzelle organisieren konnte. Besonders erwähnen möchte Lisbeth Häubi, wie herzlich sie damals von der Lostorfer Bevölkerung aufgenommen wurden. Vor allem die Nachbarsfamilie
Brügger nahm Lisbeth buchstäblich an der Hand und führte sie in die Dorfgemeinschaft ein.
So wurde aus der Elisabeth aus Wien relativ schnell die Lisbeth aus Lostorf. Mitte der siebziger Jahre, nicht lange Zeit nach der Einführung des Frauenstimmrechts, wurde Lisbeth die erste Gemeinderätin im Dorf und nahm in einigen Kommissionen Einsitz.
Im Zusammenhang mit dem damaligen «Jahr des Kindes» wurde sie von Gemeindepräsident Walter Sulzer beauftragt «etwas» zu organisieren; «das sei öppis für Frauen»….

Im Zusammenhang mit dem damaligen «Jahr des Kindes» wurde sie von Gemeindepräsident Walter Sulzer beauftragt «etwas» zu organisieren; «das sei öppis für Frauen»….
Aus diesem für heutige Ohren eher speziellen Argument entstand dann aber die schöne Tradition des Lostorfer Kasperlitheaters. Lisbeth Häubi, welche bereits für ihre Kinder und deren Kameraden zu Hause gekasperlt hatte, bastelte mit Hilfe ihres Mannes in unzähligen Stunden diverse Puppen und Requisiten und schon bald war das erste Stück «D’Gschicht vom Wasserma Gluntschli» spielfertig. Nach dem gelungenen Start und unzähligen Aufführungen (das kleine Theater im alten Konsum hatte nur 40 Plätze) spielte sie im ersten Jahr rund vier Inszenierungen und im jedem weiteren Jahr kam eine neue dazu. Da die vielen verschiedenen Figuren nicht von einer Person alleine gespielt werden konnten, halfen immer auch noch weitere Puppenspieler/innen mit. In den ersten Jahren war dies Lucy Demmerle und einige weitere spielbegeisterte Frauen, bis sie als ganz speziell puppenspieltalentierte Person Lilo Jäggi entdeckte. Später kam noch Peter Zundel mit viel Show- und Organisationstalent dazu und beide trugen wesentlich zur grossen Beliebtheit des Lostorfer Kasperlitheaters bei. Nach 3 erfolgreichen Jahren wurde das Gebäude verkauft und ab da war das Lostorfer Kasperlitheater ein eigentliches Wandertheater. Peter Vogt stellte in einem seiner Werke für den bereits reichhaltigen Requisitenbestand einen Lagerraum zur Verfügung, von wo aus die weiteren zahlreichen Auftritte in der näheren und weiteren Region gestartet werden konnten. 1988, zum zehnjährigen Jubiläum des Theaters, gab es in Zusammenarbeit mit den Lostorfer Primarschulklassen, aber auch dem Buechehof und weiteren Kasperligruppen, ein grosses «Märlifescht». Dieses wurde bis über die Kantonsgrenzen hinaus ein solcher Erfolg, dass 20 Jahre lang
immer im November das «Lostorfer Märlifescht» stattfand.
Mangels Nachfolge und auch aus Altersgründen (eine Kasperlivorstellung ist physische Schwerstarbeit) spielte Lisbeth Häubi im November 2015 zum letzten Mal das Stück der ersten Stunde aus den siebziger Jahren: «Die Geschichte vom Wassermann Gluntschli». Nebst ihren bereits unzähligen Engagements (sie war unter anderem auch als Krankenschwester im Kantonsspital Olten und in der Spitex Lostorf tätig), fand Lisbeth in den achtziger Jahren auch noch Zeit, die Kunst und Hobbyausstellung ins Leben zu rufen. Aus einer kleinen Ausstellung im Jahr 1983, mit rund 14 lokalen Kunsthandwerkern im Pavillon, entstand ein immer grösser werdender Anlass, welcher ab 1986 alle drei Jahre, im Ganzen acht Mal, in der Dreirosenhalle stattfand. Selten sah man eine solch bunt gemischte Ausstellung diverser Hobbys. Ob Kaninchenzüchter, Helikopterbauer, Porzellanmalerei, Modelleisenbahnen, Dampfmaschinen, Textilien, Glaskunst, Kunstmalereien, Drechslerarbeiten, Keyboardspiel und andere musikalische Darbietungen – es gab kaum etwas, das nicht vertreten war. Der Reinerlös ging anfangs in die Skilagerkasse der Primarschule, später ins Budget für die nächste Ausstellung und zuletzt als Spende an das Dorfmuseum. Die letzte Ausstellung fand im Jahre 2001 statt und wurde mehr oder weniger durch die Gewerbeausstellung abgelöst, welche heute noch stattfindet, aber natürlich andere Schwerpunkte setzt.

Als ich Lisbeth Häubi so zuhörte, dachte ich mir: gibt es heutzutage auch noch Leute, welche die Dorfgemeinschaft mit solchem Engagement beleben? Beide sind wir zum Schluss gekommen: ja, die gibt es, da unsere Gemeinde eine Ortschaft ist, welche fruchtbaren Boden für solche Ideen bietet. Manchmal fehlt vielleicht noch etwas der Mut dazu, aber ich möchte alle Lostorfer/innen dazu ermuntern: helft mit unser Dorf lebendig zu halten und bringt euch in die Gemeinschaft ein.

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